Kann es einen Ausweg aus der politischen Krise in Griechenland geben?

Nachdem Premierminister Samaras mit seiner strategischen Härteprobe gescheitert ist, wird nun also am 25. Jänner das griechische Parlament neu gewählt. Anders als gedacht, schaffte Samaras es nicht, genügend Oppositionelle hinter seinem Präsidentschaftskandidaten zu vereinen und errang in keiner der drei Wahlrunden die benötigte Stimmenanzahl. Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen waren wohl der letzte Versuch, sich als regierende Partei gegen das immer stärker werdende Links-Bündnis SYRIZA zu behaupten und der populistischen Volksrhetorik von Parteiführer Alexis Tsipras zu trotzen. Glaubt man den zahlreichen Umfragen, die in den letzten Tagen wie Schwammerl aus dem Boden schießen, wird SYRIZA die Wahl gewinnen. Jedoch ist SYRIZAs Vorsprung bereits gesunken und der Abstand zur Regierungspartei Nea Demokratia beträgt nur mehr knapp drei bis vier Prozent – ein Prozentsatz, der in Griechenland schnell die Seiten wechseln kann. Und doch ist es genau umgekehrt, als bei den letzten Parlamentswahlen 2012, als Nea Demokratia eben diese drei bis vier Prozent vor SYRIZA lag und über die tatsächliche Wahlrunde halten konnte.

Aber was würde ein Sieg der populistischen Linken in Griechenland eigentlich genau bedeuten? Sicher nichts Gutes. Wenn man sich die Rhetorik von Tsipras und Co genauer anhört und einen Blick auf ihr Programm wirft, wird schnell klar, dass SYRIZA entweder einen skrupellosen Kurs zurück zum aufgeblasenen Beamtenapparat und korrupter Freunderlwirtschaft der letzten Jahrzehnte verfolgt, oder von Wirtschaftspolitik ganz einfach keine Ahnung, beziehungsweise eine verkappt-nationalistische Vorstellung hat. Bei einem Sieg von SYRIZA gibt es im Prinzip zwei Szenarien mit unterschiedlichen, darauf folgenden Entwicklungen, die möglich sind. Das realistischere von beiden ist, dass alles beim Alten bleiben wird, da SYRIZA ihre Wahlversprechen nicht halten werden kann und schlussendlich einem Kompromiss mit Memorandum?? und Kreditgebern zustimmen wird müssen. Dies würde vermutlich nicht nur zu erneuten baldigen Wahlen führen, sondern auch zu einem starken Rechtsruck innerhalb der emotionalen Wählerschaft. Die wütenden Griechen, die dieses Mal aus Protest gegen das Memorandum und die Sparpolitik und aus europafeindlichen Gedanken heraus für SYRIZA stimmen, könnten ebenso schnell zu Wählern der faschistischen Goldenen Morgenröte werden. Was bei weiteren (Neu-)Wahlen zu einer Katastrophe führen könnte.

Das zweite Szenario ist das weniger realistische, aber deshalb nicht weniger gefährliche. Schafft es Tsipras, auch nur Teile seines (Wirtschafts-)Programms tatsächlich in die Tat umzusetzen, könnte das der wirtschaftliche Todesstoß für Griechenland sein. Denn Tsipras fordert im Prinzip nichts anderes, als die Misswirtschaft der letzten Jahrzehnte fortzuführen, den aufgeblasenen Beamtenapparat zu reaktivieren, um Arbeitsplätze für Parteimitglieder oder strategische Freunde zu schaffen, alle Steuern für griechische Staatsbürger zu senken und gleichzeitig die Steuern für ausländische Investoren zu erhöhen, beziehungsweise mit konfiskatorischen Mitteln zu erzwingen – ein Konzept, das in Ungarn durch Viktor Orban gerade auf die Spitze getrieben wird. Diese linksreaktionäre, nationalistische Politik Tsipras’ findet gerade im starken Gewerkschaftsapparat Griechenlands seine Anhänger und die Versprechungen, zwei Milliarden Euro für die humanitäre Krise Griechenlands aufzubringen, klingt verlockend. Doch am Ende bleibt es nur bei dieser Symptombehandlung, während die Fehler, die maßgeblich zur Intensität der griechischen Krise beigetragen haben, nicht nur nicht erkannt, sondern wieder zum Parteiprogramm gemacht werden.

Schießt sich Griechenland selbst ins Aus, bleibt offen wie Europa darauf reagiert. Die offizielle Linie ist spätestens seit heute klar: Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone scheint kein größeres Problem für die Europäische Union zu sein und eine Kettenreaktion in anderen Krisen-staaten wird nicht erwartet. Das sagt zumindest die deutsche Bundesregierung, die sich ja nicht erst seit heute als das Sprachrohr der europäischen Politik entpuppt hat. Doch was hinter den Kulissen verhandelt wird, bleibt im Verborgenen. Es ist vorstellbar, dass dort doch mehr Sorge herrscht, als öffentlich zugegeben wird, zumal Griechenland nicht nur Symbolcharakter für die wirtschaftliche und politische Krise Europas hat, sondern auch militärisch und strategisch von wichtiger Bedeutung für die Westallianzen ist. Griechenland hat eine der größten Außengrenzen der Festung Europa, auf Zypern wird nach wie vor ein de facto Stellvertreterkonflikt zwischen West und Ost ausgetragen und Griechenland ist ein wichtiger NATO-Stützpunkt, mit Militärausgaben die noch 2011 über vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachten und Griechenland damit im Weltranking auf Platz 22, zwischen China und den USA, lag. Schafft es SYRIZA in den nächsten Jahren eine Linksregierung aufzubauen, die sich diesem westlich-europäischen Einfluss versucht zu entziehen oder gar offen entgegen zu stellen, scheint auch eine Organisierung der europatreuen Kräfte nicht ganz ausgeschlossen. Gerade in Anbetracht der Situation und Einflussnahme Europas in der Ukraine, muss dieser Möglichkeit Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass Griechenland bis vor etwas mehr als 30 Jahren durch das Militär beherrscht wurde, das nach wie vor eine enorm große Rolle in der griechischen Bevölkerung und Politik spielt und bereits 2009 eine Reihe von Generälen wegen der Planung von Umsturzversuchen verhaftet wurden. Natürlich handelt es sich bei diesem Szenario um ein extremes, das zum Glück sehr unrealistisch scheint. Und doch, in Anbetracht der sich momentan immer weiter radikalisierenden und extremer werdenden Gesellschaft ist Wachsamkeit notwendiger denn je.

Es bleibt zu hoffen, dass die griechische Bevölkerung sich nicht von populistischen Wahlzuckerln und nicht einlösbaren Versprechungen einlullen lässt, sich nicht der Versuchung hingibt, einen “starken Führer” zu fordern, die korrupten Machenschaften der etablierten Parteien erkennt und sich dagegen stellt. Der einzige Weg aus der politischen Krise ist die Organisierung der Bevölkerung selbst – nicht durch einen Partei- und Beamtenapparat, sondern durch ein solidarisches Miteinander, den Auf- und Ausbau nachbarschaftlicher Strukturen, wie sie zum Beispiel im Athener Bezirk Exarchia bereits bestehen, und gerade in den Großstädten auf kleine, lokale Entscheidungsebenen zu setzen – das alles ohne Abschottung und Nationalismus und Phrasendrescherei.